Hälfte des Lebens
Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm‘ ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
Es kann nichts wachsen und nichts so tief vergehen,
wie der Mensch. Mit der Nacht des Abgrunds
vergleicht er oft sein Leiden und mit dem Äther
seine Seligkeit, und wie wenig ist dadurch gesagt.
Aber schöner ist nichts, als wenn es nach langem
Tode wieder in ihm dämmert, und der Schmerz,
wie ein Bruder, der fernher dämmernden Freude
entgegengeht.
(Hölderlin Hyperion)
Alles prüfe der Mensch,
sagen die Himmlischen,
Daß er, kräftig genährt
danken für Alles lern‘,
Und verstehe die Freiheit.
Aufzubrechen,
wohin er will.
(Hölderlin Lebenslauf)
Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen,
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.
Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.
Hölderlin Hyperions Schicksalslied
Leichtatmende Lüfte
Verkünden euch schon,
Euch kündet das rauchende Tal
Und der Boden, der
vom Wetter noch dröhnet
Doch Hoffnung rötet die Wangen,
Und vor der Türe des Hauses
Sitzt Mutter und Kind,
Und schauet den Frieden
Und wenige scheinen zu sterben
Es hält ein Ahnen die Seele,
Vom goldenen Lichte gesendet,
Hält ein Versprechen die Ältesten auf
(Hölderlin Friedensfeier)
Was ist’s denn, daß der Mensch so viel will, fragt‘
ich oft; was soll denn die Unendlichkeit in seiner
Brust? Unendlichkeit? Wo ist sie denn? Wer hat
sie denn vernommen? Mehr will er, als er kann!
Das möchte wahr sein!
(Hölderlin Hyperion)
Es ist ein hartes Wort und dennoch sag ich’s, weil
es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das
zerrißner wäre, wie die Deutschen. Handwerker
siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine
Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herrn
und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine
Menschen – ist das nicht wie ein Schlachtfeld, wo
Hände und Arme und alle Glieder zerstückelt unter-
einander liegen, indessen das vergoßne Lebensblut
im Sande zerrinnt?
(Hölderlin Hyperion)
In deinen Tälern wachte mein Herz mir auf
Zum Leben, deine Wellen umspielten mich,
Und all der holden Hügel,
die dich
Wanderer kennen,
ist keiner fremd mir.
(Hölderlin Der Neckar)